Künstler aus Freinberg

Franz Blaas

Franz Blaas

Das Lachen, Beten, Mahnen und Danken im Hintergrund
Oma, Königin der Zeit

Ausstellungen - Übersicht

Kubineske Phantasmen und leise Poesie

Die Bilderwelten des oberösterreichischen Schriftstellers und Zeichners Franz Blaas.
Illustration  - „Kartenhäuser“, 2002.

„Kartenhäuser“, 2002.

Illustration  - Franz Blaas: „Betrachter“, 2002.

Franz Blaas: „Betrachter“, 2002.

Von Evelyne Polt-Heinzl
(Wiener Zeitung)


1995 erschien in einem kleinen oberösterreichischen Verlag ein voluminöses Buch: Auf 526 Seiten legte Franz Blaas zu seinem vierzigsten Geburtstag eine Art Rechenschaftsbericht über sein bisheriges Leben ab. "Omas kleine Erde" heißt das heterogene Unterfangen, das mit der sensiblen Beschreibung einer Kindheit in der Provinz beginnt. Nach der gnadenlosen Abrechnung mit brutalen Kindheitserfahrungen der Antiheimatliteratur der 70er Jahre trat hier ein Innviertler Bauernbub an und erzählte ohne Glorifizierung davon, dass ein Aufwachsen im ländlichen Abseits auch Reichtümer mitliefern kann, die das spätere Leben mit Reserven und Energien versorgen. Die Einfachheit und Lebensklugheit seiner über 100 Jahre alt gewordenen Großmutter ist ein solides Fundament, dem der Ich-Erzähler immer wieder die richtigen Größenordnungen für die Wechselfälle des Lebens entnimmt.

Der Autor dieses in seinem Ungestüm singulären Buches hat mit dem Ich-Erzähler so viel gemeinsam, dass man den Untertitel "Eine Art Roman" durchaus in Richtung Autobiografie interpretieren darf. Und der Autor ist – zumindest primär – weniger Schriftsteller denn Zeichner. Geboren 1955, wuchs Franz Blaas in Freinberg auf, wenige Kilometer entfernt von Zwickledt, wo Alfred Kubin viele Jahre seines Lebens verbrachte. Auch wenn in der bäuerlichen Umgebung seiner Kindheit niemand von Alfred Kubin Notiz nahm und selbst die Lehrer vor Ort davon keine Erwähnung taten – es kann, so ist Blaas heute überzeugt, einfach kein Zufall sein, dass Alfred Kubin diese Gegend bewusst zum Wohn- und Arbeitssitz erwählte, in der er selbst aufgewachsen ist.

Späterhin wird er Kubins Arbeiten in musealen Zusammenhängen immer wieder begegnen, und die dunkel verschatteten, oft phantasmagorischen Zeichnungen seiner ersten Jahre mögen tatsächlich hier ihre Wurzeln haben. 2005 wurde diese Verbindung gewissermaßen offiziell bestätigt: Das Kubin-Haus in Zwickledt zeigte unter dem Titel "Zeichnung pur" Arbeiten von Franz Blaas.

Zunächst besuchte Blaas die Pädagogische Akademie, ab 1976 die Kunsthochschule in Linz und war dort Mitbegründer der Stadtwerkstatt Linz – Regionalhistoriker finden diesen Lebensabschnitt in "Omas kleine Erde" ausführlich geschildert.

Obsessiv kreativ

Es waren zwei Zeichenlehrer der Pädagogischen Akademie, so will es seine Erinnerung, die Blaas erstmals auf die Idee brachten, dass man nicht nur abzeichnen kann, was man sieht, sondern dass man zeichnend auch Welten erfinden kann. Das tut Franz Blaas seither mit einer ungeheuren Obsession.

1982 ging er nach Wien, besuchte hier die Hochschule für angewandte Kunst und blieb seither – mit Ausnahme eines zweijährigen Berlin-Aufenthalts – dem anfangs ungeliebten Wien treu. Trotzdem, bis zu einem gewissen Grad prägen die ländlichen Wurzeln seine Arbeiten bis heute. Eine umfangreiche Serie von Vögel-Zeichnungen begründet Blaas selbst damit, dass Vögel in seiner Kindheit einfach immer da und nicht zu überhören waren. In Wien, im siebten Bezirk, wo er heute wohnt und sein Atelier hat, muss er sich seine Vögel selbst zeichnen und erfinden.

Auch die Serie "Andere Häuser" , die mehreren Ausstellungsprojekten ihren Titel gab, zeigt oft isolierte, eindeutig nicht großstädtische Gebäude. Im Innviertel kann man sich viele der im Bild leicht dislozierten, an den Rand gedrängten oder eher gedrückten Häuschen gut vorstellen. Und jedes dieser Blätter macht klar, diesem Zeichner geht es um Sparsamkeit und nicht um Effekt.

Von "Seelenlandschaften" und "Stimmungsbildern" war in den Besprechungen immer wieder die Rede, was schon stimmt, aber doch mehr die Hilflosigkeit der Sprache im Umgang mit zeichnerischer Poesie zeigt. Seit den "kubinesken Anfängen" hat sich die Welt seines Zeichenstifts zunehmend gelichtet und verdichtet im Sinn von minimalisiert.

Es sind klare, sicher skizzierende Striche, provisorisch irgendwie, aber gleichzeitig bestimmt, mit denen Blaas seine kleinformatigen poetischen Bildgeschichten erzählt. Man muss sie lesen, und ihre Offenheit und Mehrdeutigkeit fordert dem Betrachter einiges ab. Blaas geht es nicht um kompositorische oder zeichnerische Perfektion, sondern um größtmögliche Vereinfachung und kontinuierliche Arbeit an bestimmten Formen und Motiven, aus denen er seine erzählenden Bildwelten formt.

Mit wenigen Strichen kann er "Menschenbilder" entwerfen, die oft genauso ratlos wie weise in die Welt blicken und uns dabei einen sanften Spiegel vorhalten, ohne je ans Karikaturhafte zu streifen. Was ein paar Striche alles an Welt auf ein Blatt Papier bannen können, weiß – außer Kindern – kaum jemand so eloquent wie Franz Blaas. Aus einer so intensiven Beziehung zum Zeichnen wächst auch eine enge Bindung an die Arbeitsmittel. Da kann es sein, dass die Einstellung einer gewissen Zeichenblockmarke dazu führt, dass eine Bilder-Serie sozusagen von höherer Gewalt abrupt beendet wird. Oder die Schachtel, in der sich all die Blätter zum jeweiligen Sujet stapeln, ist voll. Man muss Franz Blaas das nicht so wörtlich glauben, aber es markiert doch einen zentralen Aspekt seines Arbeitsstils.

Säuselnder Zeichenstift

Ausgangspunkt für die Zeichnung ist nie ein fertiges Konzept im Kopf, sondern ein Prozess. Durch den Strich, die Bewegung des Stiftes am Papier und die Gedanken und Kopf-Bilder, die sich daraus ergeben, entsteht eine spontane Komposition, die in dieser Ursprünglichkeit etwas Widerständiges behauptet. Dem Zeichenstift selbst hat Blaas in einer eigenen Serie ein Denkmal gesetzt, in der das Zeichengerät Teil der Komposition ist, gleichsam als alles strukturierende Basis im Zeichnerleben: Tischbeine, Kannenschnäbel und Lampen – alles ist zeichenbar, also auch als Stift darstellbar, und eine Katze mit dem "Schwanzstift" kann sich selbst zeichnend entwerfen.

Franz Blaas beharrt auf der Zeichnung mit weichem Bleistift, Farbstiften oder auch Pastellkreiden – der Preis der Blätter bewegt sich zwischen 400 und 2000 Euro – das ist auch ein Beharren im Off des kommerzialisierten Kunstbetriebs. So leise wie der Bleistift "über das Papier säuselt" (Alfred Polgar), so leise sind auch die Bilder; keine schrillen Motive, keine schrägen Titel, keine bemerkenswerten oder wenigstens großen Formate. Doch die wachsende Sehnsucht nach Entschleunigung und Ruhe könnte auch eine Chance sein für einen poetischen Zeichner wie Franz Blaas.

Kontaktadresse:

Galerie Gerersdorfer, 1090 Wien,

Währinger Straße 12.

http://www.gerersdorfer.at

Evelyne Polt-Heinzl, geboren 1960 in Braunau, Studium der Germanistik und Politikwissenschaft in Salzburg und Wien. 1986 bis 1988 Lehrtätigkeit an der Universität Bari, Italien. Lebt als Literaturwissenschafterin und -kritikerin in Hirschwang (NÖ). Herausgeberin zahlreicher Anthologien.

Samstag, 05. August 2006